Montag, 15. April 2024

Das Glück der Verdammten

Sein Timing war genau. Rückblickend denke ich mir, es war zu genau. Ich verließ das Haus, auf dem Weg in mein liebstes Café. Fast zeitgleich indem ich hinaustrete, tritt um die Ecke des Nachbarhauses ein Mann hervor. 

Ich nehme Notiz von seiner Präsenz, beachte ihn jedoch nicht weiterhin. Doch während ich laufe, scheint es mir aus dem Augenwinkel so als würde er parallel geradewegs auf mich zugehen. 

Ich biege um die Ecke und laufe ein wenig schneller. Ich habe (noch) keine Angst, aber ich habe keine Lust angemacht zu werden, oder auf irgendeine Art von direkter Konversation.

Plötzlich meine ich eine Stimme hinter mir zu hören. 
Ignorieren...einfach ignorieren.
Dann stellt er sich mir in den Weg und sagt leise: „Entschuldige, könnte ich mich eine Minute mit dir unterhalten?“

Ich habe einen Reentier im Autoscheinwerferlicht Moment. Halb paranoid, halb gelassen antworte ich:
„Ehm...okay.“ 
Noch bin ich mir nicht sicher ob ich fies oder höflich sein soll.

Er verrät mir seinen Namen und behauptet er würde gleich gegenüber um die Ecke wohnen. Er hätte mich einige Male die Straße langlaufen sehen und würde sich über meine Nummer freuen.

Ich fühle mich überrumpelt. Sollte das wirklich mein Nachbar sein, ist es die beste Option den Frieden zu wahren und höflich zu sein.
Ich gebe ihm mein Nummer, beschließe im selben Moment, dass ich ihn nach einer Zeit ghosten werde. 

Für eine Sekunde denke ich damit hätte es sich erledigt. Aber dann besteht er darauf mich dorthin zu fahren, wohin auch immer ich vorhabe zu gehen.
Ich lehne mehrmals höflich ab, doch er beharrt so stark darauf, dass ich letzten Endes einwillige. 

Er geht also und fährt sein Auto hervor.
Da fällt mir auf....meine Nachbarn haben doch ein anderes Auto. Dieses habe ich hier nie gesehen...
Vielleicht habe ich bloß nicht so genau drauf geachtet.

Ich steige ein und wir fahren los. Langsam. Sehr langsam. Höchstens Schritttempo. Er fängt an mir typische Smalltalk Fragen zu stellen.
Was machst du so in deiner Freizeit?
Gehst du zur Schule?

Einen Moment mal.
Ob ich zur Schule gehe?! Sehe ich so aus?! Und wenn das deine Vermutung ist, solltest du nicht nach meiner Nummer fragen und mich Rum kutschieren!!! 

„Nein...“ ist alles was ich antworte .
Er fragt nach meinem Alter.
„26.“ antworte ich trocken.
Er sagt er habe mich um einige Jahre jünger eingeschätzt.
Boohoo, you creep!

Endlich kommen wir an. Er drückt meinen Arm ungewöhnlich fest, als wolle er ihn nicht loslassen. Sein Kiefer zittert pulsierend.
Was zur Hölle.
Ich zwinge mir ein Lächeln auf und ziehe meinen Arm ruckartig zurück.

„Solltest du später noch Zeit haben...Ruf mich einfach an. Ich bin....immer in der Nähe“
Er lächelt höflich. Es wirkt aufgesetzt. Seine Augen start. 

Ich gehe in mein Lieblingscafé.
Er ruft mich in dieser Zeit 10 Mal an. 


Der Twist?
Ich habe sein Auto seither nicht in der Einfahrt gesehen, und zuvor auch nicht. 
Ich glaube....er wohnt nicht hier.

Das unheimliche?
Ich sehe das Auto nicht mehr in der Einfahrt....aber es ist überall dort wo ich bin.

Heute hat es mich eine Stunde lang verfolgt, egal wie viele Kurven und schlangenlinien ich durch die Gassen eilig gelaufen bin, ich finde das Auto immer plötzlich hinter mir...
Ich habe es letzten Endes geschafft mich unbemerkt in ein Café zu flüchten.
Aber wie ich wieder nach Hause komme weiß ich nicht...und ich kann niemanden erreichen.


Freitag, 31. März 2023

Sometimes, I can get a little cruel

Zugegeben, ich war unendlich froh, als ich die Zahl auf der Waage gesehen habe, auch wenn es bloß drei Kilo waren. Seitdem ich vor drei Jahren erkrankte, nahm ich über 25 Kilo zu - Tendenz steigend. 

Jetzt kratzen sich die Ärzte den Kopf, denn es machte keinen Sinn bei 1.000 bis 1.2000 Kalorien am Tag und ausreichend Bewegung trotz allem zu zunehmen. 

Vitaminmängel wurden ausgeschlossen, sowie andere Möglichkeiten die in Betracht gezogen worden waren. 

Seitdem ich im Ausland bin, nehme ich langsam ab. Obwohl ich mich hier weniger bewege, als Zuhause. Also habe ich die Theorie, dass es am Essen liegen könnte. Eine Orange hier, ist nicht wie eine Orange Zuhause. Hier brennen sie auf deiner Zunge, so saftig, dass man aufpassen muss sich nicht damit vollzukleckern. 

Das Brot ist meistens Selbstgebacken, sitzt nicht länger als maximal zwei Tagen im den kleinen Bäckereien. 
Selbst die Milch aus den Supermarktketten, ist eine andere. Kein Blähbauch. 

Zuhause waren die Entzündungswerte im Blut leicht erhöht. Man konnte jedoch nicht feststellen, was diese Erhöhung verursachte. Langsam werde ich das Gefühl nicht los, dass es der Magen gewesen sein könnte/ist. Eventuell Gluten, oder eine leichte Unverträglichkeit. Vielleicht war es auch der Stress, die Traumata. Wer weiß. 

Aber der weg ist lang. Ich wiege 80 kg bei 1.70m. Und ich will mindestens auf 60. 

Sonntag, 26. März 2023

Unsichtbar sein

Aus vielen Gründen dachte immer, ich hätte Angst vor Männern. Nun komme ich zu der Erkenntnis, dass diese vielen Gründe irrelevant scheinen, überschattet von jener Erkenntnis.


Ich kann mich gut wehren, mittlerweile. Einschüchtern lasse ich mich ebensowenig, meistens ist es andersherum. Und ich verstehe mich gut mit Männern, also hege ich nicht zwingend bewusst eine Abneigung gegen diese.


So muss ich bedauerlicherweise feststellen, dass ich keine Angst vor Männern habe. Ich habe Angst vor Männern, die sich zu mir hingezogen fühlen. Vor Männern, die mich attraktiv finden. Ich schätze, dann sind sie für mich am bedrohlichsten. Ja, dann sehe ich sie als eine potentielle Gefahr. Wie ungebetene Gäste die sich einem aufzwängen.


Vielleicht verspüre ich deswegen manchmal den Drang, mich unsichtbar zu machen. Aber, so sollte es nicht sein, nicht wahr?






Sonntag, 12. März 2023

Von rasenden Steinen





Ehrlich gesagt, hatte ich bereits resigniert. Ich dachte, der Tag würde niemals kommen, es wäre zwecklos. Doch dann kam der Tag. Und als der Tag kam, ging alles so schnell, so viel zu schnell. Der Stein wurde also ins Rollen gebracht…ich meine, ins Rasen gebracht.


Burnout, Nervenzusammenbrüche, Unterernährung. Medikamente, Therapie. Nach einigen Tötungsversuchen und gewalttätigen Übergriffen Zuhause haben wir beide es geschafft weg zu laufen, in eine ein-Zimmer-Wohnung. Aber ups, Vermieter aus der Hölle. Dann wurden wir gefunden. Auf ins Frauenhaus A. Von dort aus ins Frauenhaus B, ein Jahr lang. Ich dachte es würde bergauf gehen, doch dann folgte ein weiterer Übergriff während meines Aufenthalts in Spanien.


Tief Luft holen.


Endlich haben wir eine Wohnung gefunden und konnten einigermaßen ankommen, dafür bin ich unendlich Dankbar. Für die Wohnung und für die Tagesklinik. 

Ich denke, ich stehe trotz allem noch ganz am Anfang der Reise, aber das ist egal. Ich bin einfach nur froh, hier zu sein. Hier und sicher. 

Sonntag, 17. Mai 2020

Checking in

Manchmal habe ich das Gefühl, als wäre Blogger dieser eine lang vergessene Ort an dem sich alle nach und nach sammeln wenn man an einen Tiefpunkt oder Wendepunkt kommt. Man findet wieder zueinander und es fühlt sich ein wenig wie ein Klassentreffen an mit dem Unterschied, dass man sich leiden kann. Na ja, und hier sind wir. Wer immer das liest, wie geht es dir?



Zerfall bedeutet Wiederauferstehung. Das eine kann ohne das andere nicht existieren, ausnahmslos. Um Neues zu empfangen muss Altes verabschieden werden – zerfallen. Und der damit verbundene  Schmerz ist heilend und holt einen auf den Boden zurück. Frustrierend wird es dann, wenn es darum geht innere Gegebenheiten zu verabschieden – Gewohnheiten, Denkmuster, Schutzmechanismen...habe ich bereits Gewohnheiten erwähnt? Gewohnheiten. Ich versuche nicht zu hart zu mir zu sein, wenn es nicht sofort klappt. Das gestaltet sich nicht immer so einfach, aber es wird. Vieles wird, wird schon und ist bereits geworden.
Manchmal muss man seine Gefühlslage einfach so akzeptieren wie sie an dem Tag eben gekommen ist und seinen Griff lockern. Siehe da, jetzt fühlst du dich entspannter.


Was hat sich geändert? 
Zur Zeit habe ich einen Vollzeit-Job. Wegen der Situation Zuhause ist ein Anwalt eingeschaltet, morgen packe ich meine Sachen. Ich hatte eine Beziehung die ich vor kurzem beendet habe, das war nicht schön. Ich habe fünf Kilo abgenommen, das war der Stress aber froh bin ich trotzdem drum. Ich vermisse die Nähe zu Menschen, die einfach nur mit mir befreundet sein wollen – nicht mehr. Ich habe meine Haare bis zu meinem Hintern wachsen lassen und habe sie dann gestern kurz geschnitten – ein symbolischer Cut. Eigentlich geht es mir gut, nur nicht in dieser Woche.

Fühlt sich gut an nach sechs Monaten wieder hier zu sein. Fühlt sich besser an zu sehen, dass ihr am posten seid.

Freitag, 6. September 2019

Spinnenregen

Ich liege auf dem Bett und vegetiere vor mich hin, die Sonnenstrahlen tanzen durch mein Zimmer. Wie widerwärtig. Ich mag Hitze, Ich liebe Hitze und ich schätze irgendwo bin ich einer der wenigen die kein Problem mit der Hitze haben. Ich liebe den Sommer. Aber ich hasse die Menschen im Sommer. Es ist so anstrengend sie auszuhalten. Es ist so anstrengend gefühlte dreißig mal am Tag gefragt zu werden, ob mir nicht heiß sei, ob ich nicht schwitze. Und es ist noch anstrengender jedes mal erklären zu müssen, dass mir tatsächlich nicht zu heiß ist. Sonst würde ich leichter bekleidet rum rennen, macht doch eigentlich Sinn. Und dann versucht man mich abzutasten um zu schauen, ob das auch wirklich stimmt, was meine Paranoia die letzten Monate extrem gesteigert hat. Das ist ja immerhin einer meiner größten Ängste, Menschen die einen einfach anfassen, die glauben Körperkontakt sei selbstverständlich. Teilweise Fremde. Warum redet ihr mit mir? Was soll ich tun? Wenn 35 Grad angenehm sind und 25 etwas frisch? So ist mein Temperaturempfinden nun mal. Meine Hausärztin sagt alles sei okay. Also ist alles okay. Ich denke…ich denke ihr solltet alle einfach mal einen Joint rauchen.

Und jetzt hasse ich den Sommer. In der City.
Aber ich liebe den Sommer hier in meinem Geisterstädtchen wo keine Menschen sind. Wo ich unbeschwert mit einem riesigen Sonnenhut und einem oversized Langarmshirt auf dem Feld rum rennen kann – weil hier keine Menschenseele ist.
Nur ich, die Natur und die Wildschweine und Rehe. Und Zecken. Ja. Zecken – meine zweitgrößte Angst.  Und dann entdecke ich auf meinen kleinen Entdeckungsreisen interessante Orte, wie die verschollene Rennbahn im Wasserschutzgebiet, wo alle Insekten zehn mal Größer sind und es xxl Spinnen regnet die sich um den Finger von einen klammern – sie haben pulsierende Hintern und große Augen.
Ich wünschte ich hätte jemanden mit dem ich mich gemeinsam in diese Abenteuer stürzen könnte.
Alleine fühle ich manchmal etwas…ausgeliefert. Nicht einsam, sondern ausgeliefert.
Wenn jetzt etwas passiert, was wirst du tun? Sterben, ist doch klar.
Kein Empfang, keine Menschen, mitten im Nirgendwo. Trotzdem werde ich meine Ausflüge in die Natur nicht aufgeben. Ich muss dort sein, ich brauche das. Irgendwie versteht das niemand, dass ich am glücklichsten bin, wenn ich alleine irgendwo in einem Feld rum liege, bewaffnet mit meinem Füller, drei Tintenpatronen und einigen Büchlein. Oder verloren umherwandernd,  mitten im Wald oder in verlassenen Orten, wenn ich so weit laufe wie mich meine Beine tragen und nach Sonnenuntergang erst wieder Zuhause bin.