7:19 Uhr. Meistens dann stehe ich an der Tür der U-Bahn. Nach zwanzig Minuten Busfahrt und vierzig bis fünfzig Minuten S-Bahn, bin ich von dort aus nur noch fünf Minuten mit der U-Bahn zur Schule unterwegs. Ja, ich brauche knapp eine Stunde und ungefähr zehn bis fünfzehn Minuten zur Schule...mal ein paar Minuten mehr oder weniger. Und wer gerade einen tiefen Seufzer ausstoßt und mir in Gedanken sein Beileid ausspricht: Ich weiß.
Und um 5:00 Uhr morgens aufzustehen macht auch wirklich keinen Spaß, genauso wenig wie zur Bushaltestelle zu sprinten um den Bus zu kriegen, aber lächerlicherweise bin ich gerne mit der Bahn unterwegs. Wenn ich gerade nicht angepöbelt oder von Wespen attackiert werde, betrachte ich die Großstadtmenschlein in ihrem natürlichen Lebensraum. Ich mag Menschen, vor allem Fremde. Fremde sind meistens Menschen die mir nicht zu nahe treten, seltsamerweise fühle ich mich wohl und sicher umgeben von hunderten von Fremden die sich weder um mein Wohlbefinden noch meine Existenz scheren. Und vielleicht ist es genau das was ich an Fremden mag, ich bin unsichtbar aber nicht allein. Niemand nimmt Notiz von meiner Existenz, ich kann machen und sagen was ich will, sobald sich die Türen öffnen, wird sich niemand mehr danach an mich erinnern. Gleichzeitig stressen mich meine Paranoia ungemein und von so vielen Menschen umgeben zu sein macht es nicht besser. Es ist lächerlich widersprüchlich, ständig bin ich irgendwo zwischen "Okay, alles ist gut, entspann dich" und "Halt dein Messer sicherheitshalber bereit, du wirst es mit hoher Wahrscheinlichkeit brauchen weil die ganze Welt darauf aus ist dich umzubringen".
Mama sagt ich bin krank. Mama weiß nicht was diese Augen gesehen haben und dieser Körper zu spüren bekommen hat.
Eigentlich hat sich nichts geändert, ich ziehe nach wie vor Menschen mit bösen Absichten magisch an und ich fürchte nach wie vor das einige ihren Weg zurück in mein Leben finden. Das einzige was sich geändert hat, meine ich, ist lediglich dass ich froh bin nach einem Jahr in Einsamkeit andere Stimmen zu hören außer meiner eigenen. Vielleicht sollte ich mein oben erwähntes gewagtes Statement zurücknehmen. Ich fühle mich nicht wohl und sicher, ich bin nur froh andere Gesichter zu sehen und andere Stimmen zu hören. Andere Gesichter und Stimmen als jene in meinem Kopf.
Ich habe eines in den vergangenen Monaten gelernt: Ich bin kein Großstadtmenschlein. Und ich will keins sein.